Virtuell experimentieren

In den Naturwissenschaften werden Experimente durchgeführt, um das Verhalten eines Systems zu analysieren. Bei einem Experiment im engeren Sinne werden Hypothesen überprüft, die als Erwartungen an das System im Voraus als Sätze formuliert werden. Experimente in Schule und Studium sind hingegen Anordnungen, bei denen man schon weiß, dass sie ein bestimmtes Verhalten zeigen. Warum ”funktionieren“ sie als Bestandteil eines Lernvorgangs dennoch? Für eine Person, die den Ausgang noch nicht kennt und bereit ist, dank dieser individuellen Offenheit mit dem Lernmedium wie mit einem wirklichen Experiment beim Beantworten einer Frage zu arbeiten, können sie dennoch zu einem Experiment werden.

Die von uns erstellten dynamischen Modelle beschreiben die Wirklichkeit zwar nur virtuell, dennoch ermöglichen auch sie das Experimentieren. Die Lernenden können Vermutungen anstellen und kennen das Ergebnis einer Variation zunächst noch nicht. Zudem sind die eingebrachten physikalischen Zusammenhänge – anders als in Black-Box-Modellen – direkt einsehbar und können verändert werden. Die Konstruktionselemente, mit denen z.B. eine Weglänge bestimmt wird, werden an die passende Stelle in der Grafikansicht oder algebraisch eingefügt. Auf diese Weise kann aus einem individuellen Experiment auch ein wirkliches, virtuelles Experiment werden (Erb, 2017, S. 5).

Dynamische Modelle für die geometrische Optik

Wenn es um Licht geht, denkt man unvermittelt zuerst an die Farben eines Regenbogens, an Tag und Nacht, an einen starken Scheinwerfer oder vielleicht auch an das Sehen. Obwohl all diese Sachverhalte Gegenstände des Physikunterrichts der Sekundarstufe I sind, stehen dort andere Themen im Vordergrund. Es wird üblicherweise zu Beginn zwar der Sehvorgang thematisiert, im weiteren Verlauf liegt der Schwerpunkt aber oft auf der Konstruktion der Lichtausbreitung an Spiegeln und Linsen.

Ein Grund für diese inhaltliche Auswahl ist sicherlich, dass so nicht nur die entsprechenden Inhalte bearbeitet werden, sondern auch ein „Erklären“ möglich ist, was bedeutet, dass mehrere Sachverhalte auf einer höheren Modellebene beschrieben werden. Die dabei verwendeten Modelle erlauben es Vorhersagen zu treffen, die dann im Experiment überprüft werden können – eine typische Vorgehensweise der Physik (Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung).

Damit Lernende die Bedeutung dieser Vorgehensweise erkennen, müssen sie selbst so arbeiten. Hierfür werden mithilfe des Modells des Lichtstrahls oder des Lichtwegs Konstruktionszeichnungen der zu untersuchenden Sachverhalte angefertigt, um daraus Vorhersagen für das Experiment zu gewinnen. Diese Vorgehensweise ist aber sehr zeitaufwändig, weshalb im Unterricht nur wenige Situationen konkretisiert und dann auch kaum variiert werden – was aber notwendig wäre, um den Einfluss bestimmter Parameter zu untersuchen.

Seit geraumer Zeit wird in der Mathematik und im Mathematikunterricht für ähnliche Aufgaben Dynamische-Geometrie-Software (DGS) eingesetzt. Man beginnt die Darstellung geometrischer Objekte auf einer Zeichenoberfläche, indem man Punkte durch Klicken erzeugt. Diese dienen dann auch zur Definition weiterer Objekte wie Geraden, Strecken oder Kreise. Mit gedrückter Maustaste werden die Objekte verschoben oder verändert. Stehen mehrere Objekte durch Verwendung derselben Parameter miteinander in Verbindung, so wirken sich Veränderungen an einem Objekt dynamisch auch auf alle verknüpften aus (Erb & Teichrew, 2020, S. 24f).

Wir stellen eine Reihe von Materialien für die geometrische Optik vor, die online abgerufen (siehe verlinkte Abbildung) und demonstriert oder von Schülerinnen und Schülern selbst bearbeitet werden können. Es handelt sich um Lernaktivitäten, mit denen sich ausgehend von Reflexions- und Brechungsgesetz über Brechung beim Ein- und Austritt bis hin zur Konstruktion der optischen Abbildung die wesentlichen Inhalte der geometrischen Optik abdecken lassen. Die einzelnen Seiten bauen teilweise aufeinander auf und enthalten neben dem entsprechenden Modell auch eine kurze Einführung in das Thema sowie Arbeitsaufträge.

Literatur

Erb, R. (2017). Optik mit GeoGebra. Berlin: De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783110491340

Erb, R. & Teichrew, A. (2020). Geometrische Optik mit GeoGebra. NiU Physik, 31(175), 24–28. https://www.friedrich-verlag.de/physik/optik/geometrische-optik-mit-geogebra-2804